Dank der gut sortierten Darmstädter Stadtbibliothek habe ich vor kurzem einen neuen Autor für mich entdeckt: Den israelischen Schriftsteller Dror Mishani. Mit seinem Roman „Drei“, der in Israel zum Bestseller wurde, schaffte er auch den internationalen Durchbruch. Nicht ohne Grund, denn das Buch ist gleichermaßen fesselnd sowie handwerklich auf einem unglaublich hohen Niveau geschrieben – Gründe genug für mich, meine zweite Rezension innerhalb kurzer Zeit zu schreiben 😊.
Zunächst zum Inhalt:
Hier darf ich diesmal nicht allzu viel verraten, da es sich bei „Drei“ von Dror Mishani um einen Kriminalroman handelt, auch wenn das der Leserin oder dem Leser nicht von Anfang an klar ist. Nur soviel zum Inhalt: In „Drei“ geht es um drei Frauen, die alle denselben Mann namens Gil kennenlernen. Mit diesem treffen sie sich aus unterschiedlichen Motiven: Orna ist frisch geschieden und alleinerziehende Mutter eines zehnjährigen Jungen. Sie trifft sich mit Gil und geht mit ihm ins Bett, ohne ihn sonderlich anziehend zu finden und obwohl ihr an ihm einige sonderbare Verhaltensweisen auffallen. Doch sie sucht – wenn auch unbewusst und teils zwanghaft – nach einem Ersatz für ihren verflossenen Ehemann, dem sie nachtrauert. Emilia ist eine Pflegekraft aus Lettland, die einsam und ohne Angehörige in Israel lebt. Als der alte Mann, den sie gepflegt hatte, stirbt, wendet sie sich auf der Suche nach einem Ausweg aus ihrer finanziellen Misere an den Sohn der Familie – Gil, der als Anwalt arbeitet. Mit diesem fängt sie sich schon bald auch privat an zu treffen, da er ihr nicht nur aus der Geldnot hilft, sondern auch einen Lichtblick in ihrem trostlosen Dasein darstellt. Die dritte Frau ist anders und ist vielleicht nicht diejenige, die sie vorgibt zu sein. Jedenfalls sucht sie etwas ganz anderes.
Und jetzt zur Rezension:
„Drei“ von Dror Mishani ist ein Buch, das sich erst auf den zweiten Blick als Kriminalroman entpuppt. Doch zu dem Zeitpunkt war ich schon so tief in die Handlung eingetaucht, dass ich weder überrascht noch verärgert war, einen Krimi erwischt zu haben, obwohl ich das eigentlich gar nicht wollte (denn ich lese nur selten bis nie Krimis). Die personale Erzählperspektive in den ersten, beiden Teilen des Buchs schafft eine unmittelbare Nähe zu den beiden Protagonistinnen Orna und Emilia und lässt den Leser tief in die jeweiligen Leben sowie die Gefühlswelt der beiden Frauen eintauchen. Trotz eines sehr unaufgeregten, ruhigen Erzählstils gelingt es dem Autor, den Leser zu fesseln und die Spannung kontinuierlich zu schüren. Bei der Lektüre fühlte ich mehr und mehr, dass ein Unheil unmittelbar bevorstehen würde. Und selbst als das erste Unheil passiert war, flaute die Spannung keinen Deut ab. Im dritten Teil offenbart sich die wahre Meisterschaft des Autors. Hier wechselt er radikal die Erzählperspektive und spielt ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel mit dem Leser. Ein paar Hinweise auf die Auflösung gibt es zwar knapp vor dem Ende des Romans, jedoch dezent angedeutet und deshalb auch schwer verständlich. Ich bin allerdings überzeugt davon, dass dies auch genauso beabsichtigt ist. Und so tappte ich bis kurz vor knapp im Dunkeln und war gleichermaßen überrascht und begeistert, als ich das Buch nach nur wenigen Tagen wieder aus den Händen legte. Wen der Autor allerdings im dritten Teil als Erzähler einsetzt, blieb mir bis zum Schluss unklar. Den Autor selbst? Oder vielleicht sogar Gott? Hier ist der Leser offenbar einmal mehr dazu aufgerufen, die eigene Phantasie spielen zu lassen.
„Drei“ von Dror Mishani ist ein Buch, das ich allen vorbehaltlos empfehle, die spannende Romane lieben und gern in die Gefühlswelt von Frauen eintauchen. Dafür muss man kein Fan von Krimis sein. Allerdings richtet sich der Roman nach meiner Ansicht eher an eine weibliche Leserschaft oder an Menschen, die sich als weiblich definieren.