Der Karwendel ist ein Bergriese. Schroff und trutzig thront er über Mittenwald. Wer die Dolomiten kennt, der wird an die dortigen Bergmassive erinnert. Dem Wanderer bietet er alpine Touren, Berghütten und weiter oben tolle Panoramen. Das nahe gelegene Wettersteingebirge mit der Zugspitze ist ebenso hochalpin. Doch auch Genusswanderer kommen in Mittenwald und Umgebung nicht zu kurz: Am Kranzberg, Mittenwalds Hausberg, kann man entspannt über Almwiesen und durch Wälder streifen.
Welche Touren haben wir bei Mittenwald unternommen? Nachstehend folgt eine Auswahl der schönsten Wanderungen:
Karwendelspitze und Barmsee
Heute schweben wir mit der Karwendelbahn zur Bergstation. Der Aufstieg für sportliche Wanderer mit Bergausrüstung wäre zwar über das Dammkar oder Karwendelsteig und Mittenwalder Hütte möglich. Leider nicht so für mich momentan, denn ich habe Fußprobleme und muss stundenlanges Gehen auf Geröll meiden. Von Mittenwald auf 933 Meter Höhe fährt uns die Gondel zur Bergstation auf 2.244 Meter. Eine Fahrt mit tollen Blicken ins Tal, die wir uns sauer verdient haben. Denn an der Talstation herrschte coronabedingt der Ausnahmezustand, dementsprechend lang haben wir wartend in der Sonne geschmort. Auch die Fahrt – Mensch an Mensch mit Maske – ist schweißtreibend.
Oben angekommen, spuckt uns die Bahn auf die „Tourirunde“ Passamani rund um die Karwendelgrube aus. Blicke und Landschaft sind beeindruckend, doch das Gehen im Pulk mit tausend anderen ist nicht gerade das Bergerlebnis nach meinem Geschmack. Über uns thront die Westliche Karwendelspitze, die über einen kurzen Klettersteig erreichbar wäre. Bald fahren wir wieder talwärts, nachdem wir uns erneut in einer Riesenschlange die Füße platt gestanden haben.
Mein Tipp: Entweder zur Bergstation kraxeln oder sein lassen, denn das eben Beschriebene lohnt sich nur sehr bedingt, auch angesichts des Preises für die Bergbahn von 32,50 Euro.
Wir brauchen dringend eine Abkühlung und fahren zum Barmsee bei Mittenwald. Dort soll es nach zirka der Hälfte des Weges auf der Runde um den See einen Badebereich geben. Nach rund 30 Minuten dort angekommen, bin ich begeistert: Eine große, mit Gruppen von Fichtenbäumen bestandene Wiese, erstreckt sich bis zum Seeufer. Zwischen den Grüppchen von Badegästen, die locker verteilt auf der Wiese liegen, ist noch mehr als genug Platz für uns.
Wir finden ein traumhaftes, schattiges Plätzchen mit direktem See- und Karwendelblick. Das Wasser zieht mich magisch an und als ich zu Schwimmen beginne, werde ich nicht enttäuscht: Es ist wunderbar weich und gleichzeitig erfrischend. Ich schwimme durch das tolle Wasser, den Karwendel in scheinbar greifbarer Nähe und freue mich. Bestimmt könnte ich den See durchschkreuzen, doch ich muss ja auch wieder zurück und so drehe ich irgendwann um. Neben dem Lac de Chambon in der Auvergne zählt der See nun zu meinen Top-Favoriten in punkto schwimmen. Nachdem ich noch etwas gechillt habe, treten wir den Rückweg an und umrunden somit den See komplett.
Durch die Buckelwiesen: Wallgau – Mittenwald
Die Buckelwiesen – eine geschützte Landschaft bei Mittenwald – hatten es mir schon während eines vorigen Urlaubs in Garmisch-Partenkirchen angetan. Deshalb werden wir sie heute durchwandern. Wir fahren mit dem Bus nach Wallgau und starten von dort zur 12,5 km langen Buckelwiesentour zurück nach Mittenwald.
Der Weg führt fast komplett eben über schmale, landwirtschaftlich genutzte Straßen und Schotterwege durch die Wiesen.
Überall genießen wir tolle Blicke auf das Bergpanorama.
Mittags kehren wir in der „Goasalm“ ein und stärken uns mit einer leckeren Speck-Käseplatte. Der dortige Hofladen verkauft auch ausgefallene Eigenkreationen wie Ziegenmilcheis.
Eine sehr schöne, entspannte Tour.
Wettersteingebirge: Ederkanzel – Grünkopf – Ferchensee – Lautersee
Heute brechen wir zu einer der wenigen Wanderungen im schroffen Wettersteingebirge auf, die auch für den „Otto-Normalwanderer“ gut begehbar ist: Der Franzosensteig. Wir bezwingen die rund 14 Kilometer und je 700 Höhenmeter auf und ab in rund 5 Stunden.
Direkt ab Mittenwald steigen wir in mäßig steilen Serpentinen zur Ederkanzel auf. Der dortige Gasthof lädt mit schöner Speisekarte und tollem Ausblick zur Einkehr. Auch kann man hier nach Gusto entweder in Deutschland oder Österreich rasten, denn wir sind im Grenzgebiet. Doch es ist zu früh für eine Pause und wir gehen weiter auf einem breiten Forstweg über den Gebirgssattel in Richtung Aufstieg zum Grünkopf auf 1.587 Meter.
Mehr als eine Stunde steigen wir über einen schmalen Steig steil bergauf.
Eine kleine Klettereinlage ist auch dabei, die jedoch gut machbar ist.
Oben angekommen, finden wir den weitläufigen, mit Berggräsern und Bäumen bestandenen Gipfelbereich vor. Ein schöner Berg, auf dem wir weitgehend alleine sind. Wir sitzen auf einer Bank, essen unser Picknick und genießen die Aussicht auf Mittenwald und – wie fast überall in der Gegend – auf den Karwendel.
Durch dichten Wald steigen wir auf einem schmalen Steig ab zum Ferchensee. Wir umrunden den See und kehren im Gasthof direkt am Ufer ein. Im Biergarten ist viel los, wir ergattern jedoch noch einen Platz direkt am Wasser. Von dort aus schauen wir auf den schroffen Wetterstein gegenüber, beobachten riesige Karpfen im Wasser und ein paar Badegäste am anderen Ufer. Ich genehmige mir ein großes Stück hausgemachten Streusel-Aprikosenkuchen mit Sahne und dazu eine Rhabarberschorle, lecker!
Wir gehen weiter zum Lautersee, der auch sehr schön und etwas kleiner als der Ferchensee ist. Am Ufer gibt es ein Hotel und einen Imbiss mit Außenbereich. Auch hier könnte man baden, doch mittlerweile ist es schon recht spät und ich habe keine Lust mehr zu schwimmen. Von dort aus erreichen wir auf einem Waldweg zügig die Talstation der Kranzbergbahn und wandern von dort in wenigen Minuten weiter ins Ortszentrum von Mittenwald.
Eine sehr schöne Tour!
Hoher Kranzberg – Wildensee – Luttensee
Heute bringt uns der Sessellift der schon etwas in die Jahre gekommenen Kranzbergbahn auf den Mittenwalder Hausberg, den Kranzberg (1.391) Meter. Den Aufstieg sparen wir uns, zumal die Fahrt in der Gästekarte inklusive ist und sich der Gang auf dem breiten Schotterweg landschaftlich nicht lohnt. Auf Einsersesseln, die an Gartenklappstühle erinnern, schweben wir geruhsam durch eine Fichtenschneise bergauf. Von dort aus wandern wir mit vielen anderen auf Asphalt und Schotter in knapp 20 Minuten teils steil zum Gipfel. Das Panorama ist toll, doch es ist sehr viel los und fast alle Plätze auf den breiten, hölzernen Liegebänken mit Talblick sind belegt.
Bald wandern wir weiter talwärts über einen schönen Pfad, teils durch Fichtenwald und einige Lichtungen mit Buckelwiesen am Weg, in Richtung Wildensee. Dieser See ist eher ein Teich, auch hier kann man schwimmen. Es ist einiges los. Die anderen Seen haben mir besser gefallen. Einige Schilder weisen die Gegend als militärisches Gebiet aus. Das finde ich befremdlich, denn Tourismus und militärische Nutzung passen zusammen wie die Faust aufs Auge.
Wir entscheiden uns für einen Abstecher in Richtung Luttensee. Doch anscheinend meinte der Wegweiser nicht den See, sondern Luttensee Ort mit Skilift, Gasthof und Après-Ski Pilz. Der Besuch macht im Sommer eher keinen Sinn. Nach einigem Suchen finden wir den „See“, einen kleinen Teich, der hinter einem Waldgebiet versteckt ist. Auch hier liegen ein paar Sonnenanbeter zwischen Bäumen am Ufer. Schön ist anders, zumal hier auch weite Teile wegen militärischer Nutzung abgesperrt sind.
Über einen schattigen Waldweg wandern wir weiter in Richtung Gröblalm oberhalb von Mittenwald. Auf der dortigen Terrasse mit tollen Blicken zischt das Radler. Eine absolut empfehlenswerte Einkehrmöglichkeit. Die dortige Spezialität sind riesige Windbeutel mit diversen Füllungen. Der siebte Himmel für Naschkatzen! Im angeschlossenen Hofladen kaufen wir Speck, Käse und einen Kräuterlikör.
Karwendel: Brunnsteinhütte
Unser heutiges Ziel mitten im Karwendel ist die Brunnsteinhütte. Die knapp 14 Kilometer und 700 Höhenmeter bergauf und –ab werden wir in rund 5 Stunden erwandern. Direkt von der Ferienwohnung führt uns der Weg zunächst durch das Tal in Richtung Leutasch. Wir gehen auf der landwirtschaftlich genutzten, schmalen Straße vorbei an Wiesen. Kleine, hölzerne Heuschober sind überall verstreut wie Bauklötze. Die laute Bundesstraße verläuft rechterhand, links liegt der Karwendel.
Nach knapp einer Stunde biegen wir auf einen schmalen Steig ab. Dieser führt uns in weiteren zwei Stunden über steile Serpentinen, durch dichten Wald zur Hütte. Kurz vor der Hütte sehen wir zunächst einen Esel, der vor der einzigen Bank steht. Er scheint dort die Attraktion zu sein, denn mehrere Wanderer versuchen sich an Fotos. Doch das langohrige Huftier schaut nicht brav in die Kamera, sondern auf Eselsart stur in die andere Richtung. Ein paar Bergschafe mit dicken, gerollten Hörnern stehen bewegungslos im Weg. Die Brunnsteinhütte ist eine schöne, hölzerne Berghütte mit kleiner Aussichtsterrasse. Es ist ziemlich voll, doch wir finden noch ein schönes Plätzchen mit Aussicht. Es gibt Kaiserschmarrn und eine Holunderschorle, beides sehr fein.
Weiter wandern wir über schmale Waldwege und über eine lange, schmiedeeiserne Hängebrücke. Das Schaukeln beim Gehen ist Geschmacksache, mir gefällt’s. Auf dem „Leitersteig“ wandern wir weiter bergauf- und ab. Der schmale Steig, in den ein paar wenige Kletterpassagen eingebaut sind, führt durch dichten Wald. Wenn man genau hinschaut, kann man an den Steilhängen eine Hand voll Bergziegen entdecken.
Ein sehr schöner Weg, der mit der entsprechenden Kondition und Trittsicherheit gut begehbar ist. Schließlich erreichen wir den Ausgangspunkt oberhalb unserer Ferienwohnung am Rand von Mittenwald.
Eine prima Bergtour. Doch man sollte sich den langen Weg durch das Tal sparen und lieber einen alternativen Aufstieg früher in den Wald wählen.
Karwendel und Hochschwarzwald – ein Vergleich
Unseren ersten Urlaub in Deutschland im „Corona-Jahr“ 2020 hatten wir im Schwarzwald verbracht und waren begeistert. Ich stellte mir die Frage, ob der Karwendel mit dem Schwarzwald mithalten könnte. Klar, ein hochalpines Bergmassiv mit einem Mittelgebirge zu vergleichen ist ein bisschen so wie ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Die Frage war eher, wo der sportliche Durchschnittswanderer (ohne Klettersteig und Seilsicherung), der Tagestouren bis zu max. 6 Stunden geht, besser aufgehoben ist. Hier ist die Antwort nicht eindeutig: Sowohl im Karwendel wie auch im Schwarzwald wird der sportliche Wanderer fündig, wobei die Auswahl an mittelschweren, längeren Touren am Karwendel und Umgebung natürlich wesentlich größer ist. Hinzu kommen subjektive Empfindungen sowie Präferenzen für eine bestimmte Lebensart, Kultur, Kulinarik usw.
Von mir persönlich verdient der Schwarzwald noch immer eine eins plus mit Sternchen: Der Wohlfühlfaktor war enorm, auch die tolle Luft mit Nadelduft ist einfach unschlagbar für mich. Mittenwald ist mit der sehr religiös geprägten, alpenländischen Kultur fremder und auch die Luft ist – zumindest im stark befahrenen Ort und gesamten Tal – nicht ganz so prima. Und die Anfahrt ist von Darmstadt aus mehr als doppelt so weit.
Wie immer toll geschrieben und eine prima Entscheidungshilfe für eine Reiseplanung in die Karwendel / Wetterstein Region