Es kann jeden treffen: Den Arbeitslosen, Altenpfleger, Kfz-Mechaniker, Lehrer, Spitzensportler oder Manager – Diagnose Burnout, nichts geht mehr. In einer ständig beschleunigenden, entgrenzten Welt verschwimmen auch die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit. Keine Hürde zu hoch, keine Aufgabe zu schwierig, die Zeit nie zu knapp, wenn’s nicht passt wird’s eben passend gemacht.

Ein fataler Fehler. Die Statistiken sprechen eine deutliche Sprache: Experten schätzen die Zahl der Burnout-Patienten in Deutschland auf zehn bis 15 Millionen. Laut einer AOK-Untersuchung wurde 2010 jeder zehnte Fehltag mit akuter Erschöpfung und Depression begründet – im Vergleich zu 1999 ein Anstieg um 80 Prozent. Die Dunkelziffer ist hoch: Eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Innofact ergab, dass 40 Prozent der befragten Burnout-Opfer weder mit Kollegen noch mit Vorgesetzten über ihr Leiden gesprochen haben.

Doch was genau versteht man unter Burnout?

Der Begriff wird heute oft als Schlagwort benutzt – viele wissen nicht, was sich dahinter verbirgt. „Was, der hat Burnout?“, tuscheln die Kollegen. „Das hätte ich nie gedacht, das war doch der totale Überflieger und immer gut drauf“. Klar ist nur, dass es sich um ein Monstrum von diffusem Krankheitsbild handelt, mit dem keiner etwas zu tun haben möchte.

Diffus ist richtig: Bornout ist keine Krankheit, die anhand von Symptomen eindeutig diagnostiziert werden kann. Vielmehr bezeichnet das Syndrom „einen vollständigen und für die Betroffenen zunächst unerklärlichen Motivationsverlust. Dieses “Ausbrennen” geschieht nicht schlagartig, sondern geht schleichend voran“, so das Stangl-Lexikon. „Zentrale Faktoren bei der Entstehung von Burnout sind oft mit großem Ehrgeiz verfolgte Ziele und Bedürfnisse, die nicht oder nur mit großen Opfern erreicht werden können. Daraus können dann bei Nichterreichen der Ziele Verzweiflungsgefühle und bei Erreichen Erschöpfungszustände resultieren. Das Endstadium des Burnout – “Meltdown” – ist durch chronische Hilflosigkeitsgefühle und Suizidgedanken geprägt.“

Und warum brennen Menschen aus?

Eine Ursache ist also offenbar der eigene, übergroße Ehrgeiz. Man stelle sich einen Uni-Absolventen vor, der in einer großen Unternehmensberatung seine Berufslaufbahn beginnt. Er arbeitet dort regelmäßig bis spät abends, läuft jeden Tag auf 120 Prozent und will es zudem jedem recht machen. Burnout mit dreißig? In diesem Fall sehr wahrscheinlich. Ein klassisches Beispiel, das jedoch häufig zu kurz greift.

Unternehmenskultur, wirtschaftliche Entwicklung allgemein und die Gesellschaft in Zeiten von Web 2.0 sind weitere Einflussfaktoren.
Zur Unternehmenskultur zählt als allererstes der Chef, denn Führungskräfte leben Kultur vor. Gerhard Bosch vom Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg/Essen sagt: „Zu den größten Stressfaktoren im Beruf zählen die Unsicherheit über die eigene Position im Unternehmen, der Mangel an Vertrauen zwischen Chefs und Untergebenen, permanente Überforderung durch unrealistische Vorgaben oder sinnfreie Aufgaben.“ Studien belegen, dass Vorgesetzte ihren Krankenstand mitnehmen.

Der Chef ist in Sachen Unternehmenskultur und also auch in Sachen Burnout eine Schlüsselfigur, man kann das nicht oft genug betonen. Er muss seine Mitarbeiter gut kennen und stets mit ihnen im Gespräch bleiben. So wird er bemerken, wann jemand im negativen Sinne seine Grenzen überschreitet. Das ist im Interesse des Unternehmens – es will engagierte Mitarbeiter halten. Doch zuallererst ist es ein Gebot der Menschlichkeit, die in zivilisierten Kulturen nie verloren gehen darf. Diese Ethik muss im Top Management verankert sein, sonst läuft das mittlere Management gegen Wände und kann nichts für die Mitarbeiter tun. Unternehmen sind in der Pflicht, passende Führungskräfte zu finden und sie für ihre Aufgaben zu schulen.

Natürlich müssen Unternehmen volkswirtschaftlichen Faktoren wie steigender Konkurrenz durch Globalisierung und dem Vormarsch der Schwellenländer Rechnung tragen – schließlich möchten sie im Wettbewerb überleben. Doch bis zu welchem Grad und wie sie das tun, bleibt ihre Entscheidung. Wollen sie das Unmögliche erreichen und das auch noch aus eigener Kraft? Oder sind sie für externe Beratung offen und lassen sich beim Finden intelligenter Lösungen helfen? Sind sie offen für Neues und innovativ genug, zukunftsfähige Geschäftsfelder zu erschließen? Und last but not least: Stellen sie qualifizierte Mitarbeiter ein, fördern sie, behandeln sie menschlich und binden sie somit an das Unternehmen?

In der Social Media-Gesellschaft brechen reale, soziale Netzwerke oft auseinander. Virtuelle Gemeinschaften können den Rückhalt realer Beziehungen nicht ersetzen.
Wer permanent arbeitet, hat immer weniger Zeit für Partner, Freunde und Familie. Irgendwann wird das soziale Netz immer dünner. Menschen sitzen nach dem gar nicht ersehnten Feierabend vor dem PC und chatten mit virtuellen Freunden. Doch hat man schon einmal jemanden mit einem virtuellen Freund über Probleme sprechen sehen? Wohl kaum. Umgekehrt gilt, dass Menschen mit dünnen sozialen Netzen ihre Erfüllung in der Arbeit suchen. Ein Teufelskreis, den man rechtzeitig erkennen und durchbrechen muss oder am besten gar nicht erst kennen lernen sollte.

Grenzen ziehen hilft bei Individuen genauso wie bei Organisationen und Unternehmen. Nicht den Bezug zur Realität zu verlieren ebenso – nicht jeder hat eben das Zeug zum Superstar. Jeder ist zuallererst verantwortlich für sich selbst und sollte sich dessen stets bewusst sein. Wer nur noch beruflich und privat vor dem Fernseher und Internet sitzt, wird bald Gesundheit und Kreativität und das Gefühl für sich selbst einbüßen. „Wir erleben eine Entsinnlichung und müssen zurück zur Achtsamkeit“ – da gebe ich Björn Engholm Recht.

Wie können Sie typische Stressfallen vermeiden? Ein paar ganz simple Tipps.