Machu Picchu ist ein Ort der vielen Gesichter: Magische Kultstätte der Inkas, größte Touristenattraktion Perus und bedeutender Wirtschaftsfaktor. Im Juli beging Machu Picchu seinen 100. Geburtstag. Jährlich bevölkern hunderttausende Besucher die alten Mauern und hinterlassen ihre Spuren. Doch das Land ist auf Massentourismus angewiesen und will noch mehr Besucher täglich zulassen.

Das Inkareich mit Huayna Picchu

Langsam lichten sich die Wolken um den 2.700 Meter hohen Huayna Picchu. Wir sind müde, aber glücklich und stehen andächtig da und staunen. Immer wieder schießen wir begeistert ein neues Foto, denn nun ändert sich das Bild in Sekundenschnelle. Endlich bricht die Sonne durch die Wolken und gibt den Blick frei auf die bezaubernde Inkastadt mitten im Urwald. Der Ort, an dem die Sonne gefesselt wurde. Machu Picchu ist erwacht.

Bis heute bleibt rätselhaft, warum die Inkas 1450 das heutige Wahrzeichen Perus erbauten. Einst könnte sie dem Inkaherrscher Pachacútec als Winterresidenz gedient haben. Dass die Stadt ein Zentrum der Astronomie und Sterndeutung gewesen sei, behaupten andere. Auf ihre Bedeutung als astronomische Kultstätte deuten Zeitzeugen aus Stein wie der besagte Intihuatana hin. Intihuatana: Der „Ort, an dem die Sonne gefesselt ist.“ Intihuatana spielte eine wichtige Rolle im Glauben der Inkas und wurde in Ritualen genutzt, die am kürzesten Tag des Jahres (Wintersonnenwende) die Sonne festhalten sollten. Klar ist, dass das Andenvolk Landwirtschaft anhand eines ausgeklügelten Bewässerungssystems betrieb, das theoretisch noch heute nutzbar ist. Schleierhaft bleibt bis heute, warum die Inkas ihre Stadt nach nur rund hundert Jahren wieder verließen.

Unsere Chakanas tanken Sonne

Ihr Geheimnis hütete sie sogar vor den spanischen Eroberern. Der US-amerikanische Entdecker Hiram Bingham war der Erste, der die Perle der Inkas am 24. Juli 1911 wieder der Welt offenbarte. Mittlerweile ist er jedoch umstritten, denn offensichtlich verschaffte er sich lediglich durch kluges Marketing Ruhm und Ehre. Diverse Artefakte wie Mumien oder Schmuck verbrachte er unrechtmäßig in die USA, erst kürzlich gab die Yale-Universität einige davon zurück. Entdeckt hatte Machu Picchu eigentlich Augustín Lizárraga, ein einheimischer Landwirt – der hatte zwar zu Lebzeiten nicht die nötigen Mittel, um seinen außergewöhnlichen Fund publik zu machen. Wenigstens posthum wurde ihm nun mit einer Biografie Aufmerksamkeit gezollt. Beim Fest zu Ehren des 100. Jahrestages von Machu Picchu wurde Lizárraga als der wahre Entdecker gefeiert.

Als „Synthese des Peruanischen“ bezeichnete Präsident Alan Garcia die alte Inkahochburg im Rahmen der Feierlichkeiten. Eine Synthese, die angesichts des Massentourismus der letzten Jahre zu zerfallen droht. Ob im Minutentakt per Bus von Aguas Calientes oder per pedes auf dem Inka-Trail direkt durch das Sonnentor – täglich entern bis zu 2.500 Besucher die Ruinenstadt. Mehrere Monate im Voraus muss man buchen, um einen „Slot“ für die von hunderten Agenturen weltweit angebotene Wanderung zu bekommen. Seit 1983 ist Machu Picchu Weltkultur- und Weltnaturerbe der Unesco. Diese sieht die Entwicklung mit Sorge und plädiert für eine Zugangsbeschränkung von 800 Personen täglich. Doch das interessierte die peruanische Regierung bislang wenig. Eine Studie soll beweisen, dass die Inkastadt täglich bis zu 5.479 Besucher problemlos verkraften kann.

Es ist verständlich, dass Peru auf seine Haupteinnahmequelle im Tourismussektor – 20 Millionen Euro jährlich oder 90 Prozent der Einnahmen – nicht verzichten will und kann. Doch das Land muss intelligenter wirtschaften lernen und so zum Beispiel auch andere antike Stätten für den Tourismus erschließen. In der Umgebung gebe es rund 120 wichtige Inkastätten, die man nur erschließen müsse, so David Ugarte, künftiger Direktor des nationalen Kulturinstitutes von Cusco. Momentan ist unklar, wohin die Gelder fließen.

Leider ist Intransparenz und Korruption in Peru noch immer weit verbreitet. Vielleicht bessert sich die Situation unter der neuen Regierung von Ollanta Humala – zumindest die Hoffnung besteht, denn die stirbt bekanntlich zuletzt. Noch scheint Machu Picchu ungerührt mit seiner mystischen Schönheit den Besucher zu verzaubern. Wir werden es als einzigartiges Erlebnis und absoluten Höhepunkt unserer Perureise in Erinnerung behalten. Ich wünsche mir, dass es Machu Picchu-Besuchern noch in hunderten Jahren ebenso ergeht.