Das Abitur soll einheitlicher und damit gerechter werden. Der aktuelle Abiturjahrgang könnte erstmals davon profitieren: Er bedient sich aus gemeinsamen Aufgabenpools aller Bundesländer für die Kernfächer. Doch was bringen die Pools? Und wollen wir das Einheitsabitur?
Papiergeraschel, ein verstohlener Blick zum Nachbarn, einen Schluck Wasser trinken, die Aufgaben lesen, wieder lesen und dann endlich schreiben. Die angehenden Abiturienten brüten mal wieder über ihren Abiturklausuren. Doch mit einem Unterschied: Diesmal brüten Schüler unterschiedlicher Bundesländer teilweise über denselben Aufgaben. Denn sie können sich erstmals für Klausuren in den Kernfächern Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch aus gemeinsamen Aufgabenpools für alle 16 Bundesländer bedienen.
Der Grund: Das Abitur soll bundesweit einheitlicher und damit gerechter werden. Das heißt, die Unterschiede im Abiturdurchschnitt zwischen den einzelnen Bundesländern sollen spürbar kleiner werden. Dadurch würden sich auch die Chancen bei der Studienzulassung angleichen, denn diese hängt noch immer stark von der Abiturnote ab. Bisher waren die Unterschiede teilweise extrem, vor allem Thüringen erzielte mehr Einserschnitte als jedes andere Land: Im Jahr 2013 schlossen dort 38 Prozent der Schüler mit einer Eins vor dem Komma ab, in Niedersachsen schafften das nur 16 Prozent. Gründe für die großen Ungleichheiten sind die teilweise Umstellung von Schulabitur auf Landeszentralabitur und die damit einhergehende Angleichung nach unten. Unterschiedliche Anforderungen und Bewertungsstandards der Bundesländer kommen dazu.
Bildungsstandards und Aufgabenpools sollen gleiche Chancen schaffen
Deshalb beschloss die Kultusministerkonferenz (KMK) 2012 die Einführung einheitlicher Bildungsstandards für die Kernfächer im Abitur. Diese Standards sind Kompetenzen, die festlegen, was Schüler in diesen Fächern können sollten. Basierend auf den Kompetenzen haben die Länder gemeinsame Aufgabenpools erarbeitet. Die Koordination übernahm das Institut zur Qualitätssicherung im Bildungswesen (IQB), das zur Qualitätssicherung von Bildungsstandards von der KMK gegründet wurde.
Doch was bringen die Aufgabenpools?
Ihr Einfluss auf die Endnote ist gering: Erstens können Schüler selbst entscheiden, ob sie in der Klausur die Einheitsaufgabe bearbeiten oder nicht, denn in der Regel stehen mehrere Aufgaben zur Auswahl.
Zweitens wird der schriftliche Teil oft nur mit 50 Prozent, der mündliche Teil ebenfalls mit 50 Prozent gewertet. Und drittens setzt sich die Abiturnote ohnehin zu 70 Prozent aus den Leistungen zusammen, die vorher in der Oberstufe erbracht wurden – und das ist auch gut so, denn in einer Prüfungssituation können viele Schüler weniger leisten als sonst.
Zudem bleiben die unterschiedlichen Bewertungsstandards der Länder vorerst bestehen: Manchmal zählen Leistungskurse doppelt, manchmal nur einfach. Welche Fächer in die Wertung einfließen, ist zudem unterschiedlich. Wieviel der mündliche und schriftliche Teil zählt, ebenso. Bayern war bisher durch eher weniger Einserabiturienten und hohe Anforderungen verrufen. Deshalb werden seit ein paar Jahren der schriftliche und mündliche Teil 50/50 gewertet anstatt wie vorher 70/30, was den Schnitt deutlich gehoben hat.
Zentralabitur oder Rückwärtsgang?
Der Weg zu echter Chancengleichheit scheint ein weiter zu sein. Wenn wir ihn konsequent zu Ende gehen, wartet womöglich ein Zentralabitur nach französischem Vorbild auf uns. Doch wollen wir das? Bisher war das föderale Bildungssystem in Deutschland eine heilige Kuh, die man hegte und pflegte und auf die man stolz war.
Ein Zentralabitur könnte mit Blick auf die Studienzulassung fairer sein. Doch Angleichung birgt immer die Gefahr der Nivellierung nach unten. Durch bessere Abiturschnitte würden die Universitäten vielleicht von einer noch größeren Flut an Studierenden überrollt, der Lehrbetrieb würde noch mehr zur Massenabfertigung verkommen und die Unternehmen würden bald nur noch Spitzen-Uniabsolventen mit Auslandserfahrung, fünf Fremdsprachen, zehn Praktika und hundert anderen Zusatzqualifikationen einstellen. Ist das Chancengleichheit, wenn der Konkurrenzkampf an der Uni dann erst richtig tobt?
Fest steht, dass ein Reförmchen à la Aufgabenpool auf die Dauer nichts bringt. Ob Deutschland den Weg zum Zentralabitur weitergeht oder den Rückwärtsgang einlegt, sollte wohl überlegt und sehr bald entschieden werden.
So schön wie es sich am Anfang anhört ist es dann wohl doch nicht und sehr anschaulich dargelegt, dann bin ich mal gespannt wo die lange Reise hingeht aber vielleicht wird das ja ein Projekt a la Flughafen BER