Die Welt ist nicht genug, das dachte ich gestern, als ich durch unser Stadtviertel spazierte. Wir müssen unbedingt anbauen oder einen neuen Planeten besiedeln. Denn anscheinend müssen seit geraumer Zeit alle Leute, die es sich leisten können, eines dieser überdimensionierten Autos, genannt SUVs, fahren. Oder besser gesagt am Straßenrand stehen lassen. Und das in einer der beliebtesten Wohngegenden Darmstadts, wo der Wohnraum an allen Ecken und Enden verdichtet wird, was das Zeug hält.

Paradox: Mehr SUVs auf immer weniger Raum

So platzt unser Viertel buchstäblich aus allen Nähten, da werden bald auch die zwei wunderschönen, Erholung spendenden Parks nicht mehr viel ausrichten können. In dieser Situation ist es ein echtes Paradoxon, dass viele Menschen immer größere Autos fahren müssen, die schon fast die Dimension von Bussen einnehmen. Wenn sie nur wenigstens mehr Raum böten, aber nein: Sie sind ja meist nur höher und bieten ähnlich viel Platz wie ein stinknormaler Kombi. Indem mehr und mehr SUVs die Straßen bevölkern, begrenzen sie den Platz der anderen Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Fahrradfahrer. Und das in einer Zeit, in der gleichzeitig (ebenso überdimensionierte) E-Bikes ihren Platz auf der Straße einfordern und die Stadt Darmstadt versucht, mehr Fahrradwege zu schaffen. Und in Zeiten immer weiter verknappten Parkraums, den auch die wenigen Parkhäuser – die teils horrende Gebühren aufrufen – nicht nennenswert vergrößern. A propos vergrößern: Natürlich müsste man mehr und nicht weniger Parkraum schaffen, wenn alle SUV-Monster ihren Platz finden sollen.

Es wundert mich immer wieder, dass fast niemand jemals über diesen SUV-Wahnsinn schreibt, zumindest lese ich nichts dergleichen. Und da dachte ich: Jetzt ist das Thema fällig!

Es stellt sich für mich die Frage, wie man den SUV-Wahnsinn beenden und das Paradoxon des Platzmangels bei gleichzeitig immer größeren Autos a) begründen und b) auflösen kann.

Mögliche Gründe für den Kauf von mehr und mehr SUVs

Was also sind aus meiner Sicht die Gründe für den SUV-Wahnsinn? Dazu zählen vor allem:

  • Falsche Anreize von Unternehmen gegenüber ihren Mitarbeitenden: Oft sind SUVs als Dienstwagen im Vergleich zu manchen Limousinen günstiger.
  • Falsche Anreize der Hersteller: Oft werden SUVs durch eine attraktive Preisgestaltung gegenüber kleineren Fahrzeugen „in den Markt gedrückt“.
  • Falsche Anreize der Öffentlichen Hand: Warum ist der ÖPNV noch immer so teuer, wenn man doch eigentlich alle Autos aus der Innenstadt verbannen möchte?
  • Die „falsche“ Nachfrage befeuert das „falsche“ Angebot: Umgekehrt fragen Autokäufer mehr und mehr SUVs nach. Die Anführungszeichen bedeuten, dass Angebot und Nachfrage an sich weder richtig noch falsch sein können, da sie größtenteils vom Markt geregelt werden. Doch hier ergibt sich eine Schieflage durch bestimmte Anreize.
  • Statusdenken: Nach dem Motto groß ist geil, ich zeige, was ich habe, steigt die Nachfrage nach SUVs.
  • Kompensierte Minderwertigkeitskomplexe: Jetzt wird’s zugegeben psychologisch, doch ich denke, dass sich nicht allzu wenige SUV-Fahrer durch ein riesiges Auto im sozialen Status aufgewertet fühlen.
  • Machtgelüste im Straßenverkehr ausleben: Wie oft habe ich es schon erlebt, von einem SUV regelrecht von der Straße geschoben worden zu sein? Antwort: Sehr häufig.

Möglichkeiten, wie man den SUV-Wahnsinn beenden könnte

Und was also könnten wir gegen den SUV-Wahnsinn tun? Keine leichte Frage, denn die obenstehende Liste zeigt, wie vielschichtig die Gründe für den Kauf immer größerer Fahrzeuge sind. Dennoch habe ich ein paar Ideen und Gedanken dazu:

  • Das Problem erkennen und Aufmerksamkeit schaffen – wenn ich selbst SUVs im Straßenverkehr als Problem erlebe, dann sollte ich meine Meinung verbreiten und so mehr und mehr Aufmerksamkeit und Interesse für das Thema schaffen.
  • Mein Handeln hinterfragen: Bin ich etwa einerseits für ein rücksichtsvolles Miteinander und einen nachhaltigen Lebensstil, kaufe mir aber andererseits einen SUV? Dann muss ich die Konsistenz meines Denkens und Handels hinterfragen.
  • Besser leihen als kaufen: Ich selbst bin ein absoluter Fan der Sharing Economy geworden und versuche, mehr und mehr Dinge zu leihen statt diese zu kaufen. Warum nicht ein großes Auto leihen, wenn man es mal braucht und sich ansonsten mit einem Kleinwagen (vielleicht plus E-Bike?) zufriedengeben?
  • Die richtigen Anreize setzen: Politiker und Unternehmen müssen durch ihre Anreize die Nachfrage in eine andere Richtung lenken.

Ich hoffe, dass es uns gelingt, den SUV-Wahnsinn zu erkennen, zu benennen und verbreiten und letzten Endes zu beenden. Denn an unsere Welt anzubauen ist keine Option. Sie muss und sollte uns genug sein. Es ist ebenfalls keine gute Idee, in nicht allzu ferner Zukunft einen zusätzlichen Planeten zu besiedeln und auf diesem unsere unauslöschlichen Fußspuren – unter anderem in Form riesiger Blechmonster auf vier Rädern – zu hinterlassen.